Start        Vorbemerkungen        Text        Literatur        Karte        Impressum

Franz Brunhölzl, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters 1: Von Cassiodor bis zum Ausklang der karolingischen Erneuerung (1975) S. 443 f.

„Die Biographie des großen Mannes [Benedikts von Aniane] wird einem seiner Jünger verdankt, dem Mönch Ardo von Aniane. Der in der gelehrten Literatur vielfach angeführte zweite Name Smaragdus taucht erst in relativ später Zeit auf und beruht wahrscheinlich auf irriger Verquickung mit Smaragdus von St.-Mihiel. Auf denselben Irrtum scheint auch die Annahme zurückzugehen, Ardo sei Benedikts Nachfolger als Abt von Aniane gewesen, er sei um 783 geboren und habe bis 843 gelebt. Als gesichert darf lediglich ein besonders nahes Verhältnis zu Benedikt angesehen werden; denn die Mönche von Inda, wo Benedikt verstorben war, wendeten sich ausdrücklich an Ardo mit der Bitte um Abfassung einer Vita, die dieser dann auch ihnen widmete.

Die Vita Benedicti abbatis Anianensis et Indensis ist die einzige bekannte literarische Arbeit unseres Ardo und offensichtlich nicht allzu lange nach dem Tod Benedikts, vielleicht noch 821, verfaßt. Der Autor, ||S. 444|| den die die Abfassung erbittenden Mönche von Inda, selbst ehemalige Anianenser, natürlich seiner besonders guten Kenntnisse wegen gewählt hatten, zeigt sich vorzüglich unterrichtet; an seiner Wahrheitsliebe ist nicht zu zweifeln. Trotz dem durchaus hagiographischen Stil stellt die Vita daher eine sehr wertvolle Quelle für unsere Kenntnis nicht nur des Lebens Benedikts, sondern auch der monastischen Reform unter Ludwig dem Frommen dar. Der Stoff ist so disponiert, daß zunächst der Lebensgang Benedikts von seiner Geburt bis zur Errichtung des zweiten Klosterbaues in Aniane (782) berichtet wird, wobei den Abschluß die wörtlich eingelegte Immunitätsurkunde Karls des Großen bildet; es folgt, zwanglos an den Bericht von einem Geschenk des Königs sich anschließend, der Versuch einer Charakterisierung Benedikts in der Art eines Tugendkataloges, der jedoch individuell gestaltet ist, sowie eine Anzahl kürzerer, anekdotenartiger Geschichten, die zum Teils als miracula bezeichnet werden – worin sich der Zwang des Genos ausspricht; den dritten Teil bildet der Bericht über die Begebenheiten von der Übernahme der Regierung durch Ludwig den Frommen an, die Gründung von Inda usf.; der Tod Benedikts wird mit einem wörtlich eingerückten Brief der Mönche von Inda eingehend geschildert. Es gelingt dem Verfasser, ein anschauliches und eindruckvolles Bild von der Persönlichkeit des großen Abtes zu entwerfen; daß er mit Erfolg den Versuch unternimmt, auch den inneren Wandel seines Helden auszudrücken, verdient besonders hervorgehoben zu werden. Die Sprache hält das Niveau einer gepflegten, maßvoll die Mitte zwischen alltäglicher Rede und rhetorisch aufgeputztem Pomp einhaltenden Prosa.“


Letzte Bearbeitung: $Date: 2008-10-23 19:52:24 $